Donnerstag, 8. September 2011

Erstens kommt es anders und zweitens als man... kennt.

Mit meiner Rückkehr aus der grandiosen Sommerverlängerung erscheint auch der ausführliche Reisebericht, dem einige schon euphorisch und ungeduldig entgegengefieberten. Hier folgt sogleich: die Enttäuschung, Teil 1. Erhellende Possen eines gewissen reiselustigen Volkes aus dem flächengrößten Staat der Erde - Fehlanzeige. Warum ich mit dieser bitteren Enttäuschung aufwarten muss, ist rasch erklärt.

Was hilft der Ausruf: "Die Russen kommen!", wenn die österreichische Delegation bereits mit der Belagerung begonnen hat, nein was rede ich: zentrale Dreh- und Angelpunkte (Liegewiese, Pool, Meerzugang, etc.) hart umkämpft und vom Stärkeren bzw. in diesem Fall eher: Schnelleren bereits eingenommen, Flagge gehisst und zu machtzurschaustellenden Hochburgen umfunktioniert, das Buffet einem Schlachtfeld gleichgesetzt. Man fragt sich an dieser Stelle, warum man sich den Diplomlehrgang "Strategische Urlaubskriegführung mit live Planspiel" entgehen ließ.

Den ersten alarmierenden Hinweis liefert der Hotelparkplatz: Amtliche Kennzeichen überwiegend aus Südösterreich so weit das Auge reicht, und noch viel weiter. Von Fraktionen aus Wolfsberg, über Feldbach in der Steiermark bis hin zu Abgesandten aus Villach - sie alle sind mit von der Partie. Und wir (als Klagenfurter) natürlich mittendrin statt nur dabei! Es hat schon etwas Bedrückendes, bei der Begrüßung ein zufälliges "Ma he (du a do)" von der Seite aufzuschnappen. Es ist unumstritten, dass Kroatien von Südösterreich einfach und schnell zu erreichen ist (würde ich jedoch nach der Heimreise vehement dementieren) - aber wieso denn bitte gleich alle auf einmal? Was ist schon ein Betriebsausflug, wenn man einen Land(es)ausflug haben kann? Bereits Paracelsus wusste, die Dosis macht das Gift.

Die kalte Schlacht am heißen Buffet

Hier erweist es sich dann wirklich als großer Vorteil, Österreicher (und ein paar Freunde aus dem Nachbarland Deutschland) um sich zu wissen. Man könnte meinen, hoch entwickeltes, sozial kompetentes und äußerst kultiviertes Land - oder so. Aber am Buffet gibt es, egal welcher Herkunft, kein Pardon. Die Teilhabe an der Mutation der Nahrungssuchenden zu rüpelhaften Neandertalern war als wunderbares allabendliches Schauspiel zu beobachten. Das nennt man dann Futterneid in seiner höchsten Ausprägung. Aber zurück zum Vorteil, der sich darin charakterisiert, mit einem einfachen "Sie können gerne vorgehen, wenn Sie bereits so ausgehungert sind, dass die Kraft zum Warten nicht mehr reicht" den 13. Ellbogen inklusive Teller im Rücken quittieren zu können. Man muss seinen spärlich ausgebildeten Russisch, Niederländisch, *Sprache der Wahl einsetzen* Wortschatz dafür nicht bemühen. Es funktioniert durchaus trivialer (auch bekannt als rustikal, erdig), wenn man dem Ur-Wiener etwas mitzuteilen hat.

Stil ist keine Besenspitze - und Niveau keine Hautcreme

Fragen, die man sich vor einem geplanten Urlaub in einem neueröffneten Design-Hotel jedoch stellen sollte, um seine persönliche Konstitution überprüfen zu können:

1, Ich kann das Bedürfnis, Nahrungsfragmente von einem Messer entfernen zu wollen, indem man das Messer bis zu den Tonsillen (oder dort wo einmal selbige waren) vorschiebt für einen bestimmten Zeitraum (zumindest für die Dauer des Aufenthaltes) unterdrücken?

2, Schweren Herzens, aber doch, würde ich (ja, auch als Mann bitte sehr!) auf das Tragen orientalischer Pluderhosen in Verbindung mit weißen Ruderleiberln zum Wohle der anderen verzichten und sie gut verstaut im Kasten (und damit ist im Idealall jener zu Hause gemeint) lassen.

3, Im Gegensatz zu in Punkt 2 angesprochener Ausrüstung verzichte ich jedoch nicht auf die Mitnahme des Haus-VERSTANDES (sofern dieser überhaupt zur Mitreise vorgesehen wurde), der bei der Bewältigung verschiedenster Aufgabenstellungen am Buffet eine große Hilfe sein könnte.

4, Wenn es als sozial erwünscht angesehen wird, kann ich in Bob-der-Baumeister-Manier (können wir das schaffen? JA, wir schaffen das!) die Technik des Gabelhaltens insofern verfeinern, dass man mir nicht 3 km gegen den Wind im Nebel ansieht, dass ich nicht bis 3 (in Worten drei) zählen kann und zu diesem fremdartigen Werkzeug am Liebsten Dingelhopper sagen möchte?

5, Ich kann mich (ebenfalls für die Dauer meines Aufenthaltes) damit arrangieren, dass es nicht als State of the Art gilt, mit den Fingern auf dem Nachbarteller herumzustirdln, um wortwörtlich die Rosinen rauszupicken?

6, Ich sehe ein, dass es nicht als Goldstandard in der Öffentlichkeit angesehen wird, Nahrungsreste mit dem Fingernagel aus dem Zahnzwischenraum entfernen zu wollen und kann mir ggf. eine passende sozial verträgliche Variante einfallen lassen?

Bravo! Wenn Sie alle Fragen mit einem kräftigen und eindeutigem "Ja" beantworten konnten, dann sind Sie wohl geeignet und können: buchen, buchen, buchen!

Eine hobbywissenschaftlich erarbeitete Erkenntnis möchte ich abschließend keinesfalls unterschlagen. Folgende Hypothese konnte während des Aufenthaltes empirisch vorläufig verifiziert werden. Da eine theoriegeleitete Vorgehensweise angestrebtes Ziel ist, beziehe ich mich (damit ich nicht wieder des falsch oder gar nicht zitierens bezichtigt werde) dahingehend auf Stefan Terzer (2011): Die Aufwertung des Selbst durch Abwertung des anderen.

Da hilft nur eines: Pivo!

PS: Vielen Dank an die Cara-Eltern für die exzellente Hotelempfehlung!

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