Dienstag, 13. September 2011

Von U-Bahngesprächen und dem Aufbau eines Dramas

Jeder, der auf eine Fahrt mit den in der Bundeshauptstadt zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmitteln verzichtet, lässt sich wirklich allerhand entgehen.

Anderenorts muss man für solche hochkarätigen schauspielerischen Leistungen kostspielige Eintrittskarten erstehen, aber das Sensationelle ist die Tatsache, dass sich bei € 1,80 alles inklusive versteht. Was sich die Wiener Linien da wieder einfallen haben lassen...

An der folgenden, durchwegs befremdlichen, Konversation durfte(?) ich heute als ordentlicher Hörer (für die Universitäts-Nostalgiker: ohne Hörerschein) teilhaben. Zwangsbeglückung nennen es die anderen. Ich möchte jedoch vorwegschicken, dass der überwiegende Teil der Unterhaltung aus Sicherheitsgründen zensiert wurde, da bei den Blog-Einstellungen sonst der Wechsel auf "Erwachseneninhalt" erforderlich gewesen wäre.

Meinen Bildungsauftrag, ganz im Sinne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wollte ich bereits in 1. der Exposition (Drama, Akt, Szene, Auftritt: Hamlet, 3. Akt, 3. Szene, 1. Auftritt: Der König, Rosenkranz und Güldenstern) nachkommen. Ein dynamischer, adretter und junger Mann steht bei der Glasscheibe des einen Waggons und unterhält sich angeregt mit einem noch viel dynamischeren usw. Mann im nachfolgenden Waggon, der ihn jedoch völlig überraschend: nicht versteht (2. Komplikation). Jetzt einmal ehrlich, wer hätte das gedacht?! Und es kam, wie es kommen musste: in der nächsten Haltestation kommt es zur Zusammenkunft. Wer Murphy's law kennt, weiß an dieser Stelle, dass sich das Spektakel natürlich in dem Waggon zuträgt, in dem ich mich auch befinde. (3. Peripetie) Zugegeben, es war vorhersehbar, da der Eintrag sonst an dieser Stelle zu Ende gewesen wäre.

Also geht es mit einer beschwingten, intensiven Begrüßung weiter. Die Herren gehen unmittelbar in medias res: "I hob an Rückfoi mit an Benzo ghobt". (4. Retardation) Nun drängt sich dem vermeintlichen und zugleich aufmerksamen (weil nicht mehr im Buch lesen könnenden) Zuhörer die Frage auf, für welchen Teil des Satzes die Betonung zu verstehen ist. Besteht lediglich die Hervorhebung des Rückfalles oder geht es doch vielmehr um die für diesen Schritt notwendige Dosis? Wie man sich jedoch vorstellen kann, habe ich mich der Frageoption nicht gestellt und interpretierte demnach frei. "Heast du bist a Trottel" lautet die entrüstete Reaktion des Einäugigen unter den Blinden. "Jo i hob hoid vurher a Praxiten (oder kostengünstigeres Genericum der Wahl einsetzen) gnumma, weu i grod so scheißdepri bin, oida." Da fehlten sogar dem Gesprächspartner die Worte und er wechselte abrupt zu seinem Spezialgebiet, auf dem er als Experte gilt. (5. Lysis) Den sensiblen Ohren soll an dieser Stelle jedoch erspart bleiben, was sich in weiterer Folge zutrug. Im Übrigen werde ich zur weiteren Verarbeitung dieses Erlebnisses den Traumabewältiger meines Vertrauens konsultieren.

In der Situation beginnt man ja quasi automatisiert nach der versteckten Kamera zu suchen, die jedoch nicht zu finden war.
In diesem Sinne: Beauty! Beauty! oder so ähnlich

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